Segelflugkarriere

von Tobias K.

Wie könnte nun also eine Segelfliegerkarriere aussehen? Nun - die typische Segelfliegerkarriere gibt es nicht, da dieser Sport so breit gefächert ist. Deshalb möchten wir hier zwei fiktive junge Segelflieger und ihren Werdegang vorstellen.
Rebecca, genannt Becki, ist beim Einstieg in den Segelflug 15 Jahre alt, Gymnasiastin, ihr Vater ist Segelflieger.
Peter ist beim Einstieg in den Segelflug 19 Jahre alt, Student und hatte bisher keine Verbindung zur Fliegerei.


# Becki (Schülerin) Becki ist schon seit Kindertagen immer wieder mit, wenn ihr Vater ein Wochenende auf dem Flugplatz verbringt. Da sie aber noch andere Hobbies pflegt, werden die Aufenthalte auf dem Flugplatz zunächst seltener und so steht auch mit 14, dem frühest möglichen Alter zum Beginn der Segelflugausbildung, andere Themen im Vordergrund. Nachdem ihr Vater ihr von der guten Stimmung unter den Jugendlichen des Sommerkurses erzählt hat, entscheidet sie sich, sich mit Einwilligung ihrer Eltern für den nächsten Sommerkurs ebenfalls anzumelden.
Frauenpower im Sommerkurs

Nach dem Kursvortreffen im Frühjahr nimmt sie am Anfängerkurs teil, der stets in den Sommerferien der hessischen Schüler und gleichzeitig in den Semesterferien liegt. Dementsprechend ist der Kurs auch besetzt: es gibt unter den zehn Teilnehmern Schüler, Studenten aber auch einige Berufstätige und sogar einen Pensionär. Trotz der Altersunterschiede rauft sich die Gruppe schnell zusammen und neben der Gemeinschaft verläuft auch das Fliegen erfolgreich; Becki kann nach acht der zehn Kurstage und vierzig Flügen mit Lehrer ganz zum Stolz ihres Vaters zum ersten Alleinflug antreten und am nächsten Tag die bestandene A-Prüfung, drei Alleinflüge, feiern.

Becki bereitet sich auf ihren ersten Alleinflug vor

Dank der im Verein organisierten Fahrdienste ist Becki nicht auf ihren Vater angewiesen, um den Weg von Frankfurt zum Flugplatz zurück zu legen. So ist die muntere Schülerin im Herbst und im nächsten Frühjahr regelmäßig auf dem Flugplatz; den Winter über hilft sie bei der Werkstattarbeit mit und nimmt an den ersten Theoriestunden Teil. Neben weiteren Alleinflügen und der B- und C-Prüfung stehen die ersten Streckenflüge mit Fluglehrer auf dem Programm. Ein wenig Unsicherheit ist schon da, wenn es das erste Mal aus dem direkten Umkreis des Flugplatzes heraus geht, doch zeigt sich Becki zur Freude der Fluglehrer in der Überlandschulung talentiert bei der Thermiksuche. Im Sommer steht dann die Vorbereitung für einen ersten Wettbewerb an: Das Jugendvergleichsfliegen.

Ziellandung beim Jugendvergleichsfliegen

Beim Jugendvergleichsfliegen messen sich in drei Runden, zunächst regional, dann Landes- und schließlich bundesweit junge Segelflieger in Disziplinen, an denen auch schon ein Flugschüler teilnehmen kann. Es geht dabei um einen sicheren Start, eine saubere Platzrunde mit vorgegebenen Übungen und schließlich die Ziellandung in abgesteckten Feldern. Ausgerüstet mit einem Fluglehrer des Vereins, einem Flugzeug und einem Schlafsack fährt sie am ersten Wochenende im September zum regionalen Austragungsort und ist, obwohl sie die Qualifikation für den Hessenentscheid knapp verpasst, zufrieden: “Ich habe unglaublich viele andere junge Segelflieger kennen gelernt und gute Ideen mitgenommen,” sagt sie müde, aber glücklich am Sonntagabend. Einige der Jugendlichen trifft sie im folgenden Feburar beim alljährlichen Segelflieger-Volleyballturnier wieder, wo sie mit ihren Spielkünsten aus dem heimischen Volleyballverein brilliert.

Voller Einsatz beim Volleyballturnier

Im Winter und Frühjahr bereitet sich Becki im Gruppenunterricht gezielt auf die Theorieprüfung vor, die sie kurz vor Saisonbeginn im März ablegt. Ihre Alleinflüge in der Saison werden länger, bis zu fünf Stunden. Sie absolviert einige recht große Strecken zusammen mit einem Fluglehrer. Im Sommer geht es dann mit zum Fliegerlager, das - je nach Wetter, Interesse und Ausbildungsstand der Teilnehmer - am heimischen Flugplatz oder auf einem anderen Flugplatz in Deutschland statt findet. Im Rahmen dieses Fluglagers absolviert Becki ihren Flug über 50 km im Alleinflug und ist damit reif für die Prüfung zum Flugschein. Die Flugsaison findet mit der praktischen Prüfung und einem Brief von der Behörde, der die lang ersehnte Lizenz enthält, ihren Abschluss.

Der erste Flug mit eigener Lizenz

Mit ihrer Streckenflugerfahrung aus der Schulung und einem Streckenfluglehrgang Anfang des nächsten Jahres traut sich Becki die Teilnahme an einem Streckenflugwettbewerb zu und meldet sich für das Ende der Saison für die Qualifikationsmeisterschaften in der Nähe an. Sie leiht sich für die Teilnahme in der Clubklasse eine LS-4 von der Akaflieg und fährt im August zusammen mit Peter, der ihr auf dem Wettbewerb als Rückholer und Helfer zur Verfügung steht, auf die Meisterschaften. Das Gefühl, mit anderen in Konkurrenz eine vorgegebene Strecke abzufliegen ist für sie neu, doch ist die Stimmung nicht feindselig, sondern von ehrlicher sportlicher Anerkennung geprägt. Trotz einer Außenlandung an einem sonst guten Wertungstag erreicht Becki als Thermiktalent im Gesamtklassement eine Platzierung im oberen Mittelfeld. Im Folgejahr steht für sie das Abitur an, weswegen sie im Winter nur wenig Zeit für die Werkstattarbeit hat, doch den einen oder anderen Tag im Frühjahr verbringt sie auf dem Flugplatz; hier findet sie Abstand von ihren Unterlagen und dem rauchenden Kopf. Im Sommer, nach dem Abitur, tritt sie ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland an und entscheidet sich daher, das Hobby für den Rest des Jahres ruhen zu lassen. Sie bleibt aber mit ihrer fliegerischen Heimat im engen Kontakt und ist sich aber sicher, selbst wenn sie nicht in Frankfurt studieren sollte, nach der Rückkehr nach Deutschland wieder in den aktiven Betrieb bei der Akaflieg einzusteigen.

# Peter (Student) Peter ist im zweiten Semester seines IT-Studiengangs, als er die Night of Science besucht und dort über den Stand der Akaflieg Frankfurt und das ausgestellte Segelflugzeug stolpert. Im Gegensatz zum Klischee ist Peter kein verschrobener Computermensch, sondern durchaus handwerklich begabt und darüber hinaus auf der Suche nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung am neuen Studienort.
Andrang auf der Night of Science

Da er die Semesterferien schon für einen Nebenjob verplant hat, tritt er als Anwärter in die Akaflieg ein und beginnt schon kurz darauf mit der Schulung im Wochenendbetrieb. Gegen Ende der Saison hat auch er den ersten Alleinflug absolviert und bringt sich im Winter in den Verein ein, indem er an der Gestaltung der Akaflieg-Webseite mithilft und mit seinem technischen Hintergrundwissen und Geschick die Wartung der Instrumente und Funkgeräte unterstützt.

Peters erster Start - das erste Mal ist immer etwas erschreckend

Im nächsten Jahr ist Peter viel auf kürzeren und längeren Alleinflügen in der Umgebung des Flugplatzes unterwegs, doch wenn noch ein Platz im Doppelsitzer frei ist, ist er auch für einen Überlandflug jederzeit zu haben. Ihm ist, stets mit einer Kamera ausgestattet, die Freude am Fliegen wichtiger als eine möglichst schnelle Fluglizenz, weswegen er auch mit normalen Piloten, die keine Fluglehrer sind, im Doppelsitzer zu längeren Flügen aufbricht.

Die Heavy-Metal-Truppe auf der Winde

Schon in der Mitte der Saison hat er genügend Windenstarts zusammen, um die Ausbildung zum Windenfahrer zu beginnen. Ihm liegt “Heavy Metal” nicht nur als Musikrichtung, sondern auch als Tätigkeit auf dem Flugplatz und so wird Peter ein verlässlicher Windenfahrer und trägt damit zu einem reibungslosen Flugbetrieb bei. Natürlich wird auch er an den Tagen, an denen er als Windenfahrer eingeteilt ist, regelmäßig abgelöst und kommt so zu einigen sehr schönen Flügen. Im Gespräch mit einem Fluglehrer schlägt dieser vor, Peter solle im nächsten Jahr doch auf das Gebirgsfluglager, das Akaflieg Frankfurt Wave Research Camp, in den spanischen Pyrenäen mitkommen.

Akaflieg Frankfurt Wave Research Camp

Gesagt - getan, Ende März des Folgejahres reiht sich Peter mit seinem Auto in die Kolonne Akaflieger auf dem Weg Richtung Südwesten ein und fährt - ein Flugzeug im Schlepptau - zum Fluglager nach La Cerdanya, gelegen zwischen Barcelona, Andorra und Perpignan. Ohne Lizenz darf er hier nur zusammen mit Fluglehrer im Doppelsitzer fliegen, doch das hält ihn nicht davon ab, spektakuläre Flüge zu machen. Seine Kamera hält nicht nur einmalige Aussichten, sondern auch einige Selbstportraits mit Sauerstoffanlage und Thermokleidung für Höhenflüge fest.

Fliegen in > 3.000 m mit Sauerstoff

Doch die Flüge in den Leewellen der Gebirge sind nicht nur zum Spaß: Gemeinsam mit einem Fluglehrer, der gleichzeitig Professor für Systemtheorie ist, wertet Peter nach der Rückkehr nach Frankfurt die Flüge bis ins kleinste Detail aus. Die beiden verbessern zusammen damit eines der gängigen Modelle für Gebirgswellen. Peter baut später hierauf eine Abschlussarbeit für sein Studium auf, während das neue Wellenmodell im Detail in Fachzeitschriften erscheint und - in stark vereinfachter Form - von Peter und einigen anderen Akafliegern auf der nächsten Night of Science als wissenschaftlicher Beitrag präsentiert wird.

Akaflieg Frankfurt Wave Research Camp

Dank seiner Erfahrung vom Fluglager in den Pyrenäen und seines Organisationstalents kann sich Peter der Frage von Becki, einer frischgebackenen Lizenzinhaberin, kaum entziehen, sie auf einen Junioren-Wettbewerb zu begleiten und als Rückholer, Helfer und Experte für die Technik zu unterstützen. Im gleichen Jahr erhält er dann noch die Möglichkeit als Copilot an einem Qualifikationswettbewerb der Doppelsitzerklasse zur Deutschen Meisterschaft in Brandenburg teilzunehmen. Von einem ehemaligen Deutschen Meister gibt es aus erster Hand die Regeln, Taktiken und Tipps in einem solchen Luftrennen erfolgreich zu sein … und dass sich Kooperation und Kommunikation mit zwei anderen Teams auszahlt. Die Stimmung, die er dort unter den Wettbewerbspiloten mitbekommt, spornt ihn an, sich sein Können offiziell bestätigen zu lassen und ebenfalls die Lizenz zu erwerben - die Voraussetzungen hat er schließlich schon lange erfüllt.

Grenzenlose Freiheit